(TRD/MID) Radikal und minimalistisch wirkt der „weiße
Pfeil“, wie KTMs schwedische Tochter Husqvarna ihr Design-orientiertes
Naked Bike Vitpilen 701 getauft hat. Skandinavisch-puristisches Design
und österreichische Hardcore-Technik gehen hier eine einzigartige
Verbindung ein: Der stärkste Serien-Einzylinder der Welt mit heftigen 75
PS – umrahmt von ungewöhnlich glatten und cleanen Formen und Flächen,
getaucht in mattes Silbergrau, verziert mit sparsamen, frechen
Farbakzenten. Was eher wie ein gemaltes Kunstwerk klingt, ist ein
progressives Stück Motorradkultur, das zum äußerst selbstbewussten Preis
von 10.195 Euro stilsichere und solvente Käufer sucht. Ist die Vitpilen
701 das wert?
Sie fährt sich sehr eigen, fast unvergleichlich: Man erklimmt die
Vitpilen 701 zunächst wie eine Enduro in lichter Höhe von 830 Millimter –
nichts für kurzbeinige Biker. Dann setzt man die Füße auf hoch
platzierte Rasten und bemerkt den engen Kniewinkel eines Streetfighters.
Und schließlich erzwingen die tief angesetzten Stummellenker eine nach
vorn gebeugte, Café Racer-hafte Haltung des Fahrers. Gegendruck des
Fahrtwinds ist deshalb herzlich willkommen, um den Oberkörper etwas zu
entlasten. Der Wind stützt allerdings erst ab rund 90 km/h spürbar, und
die Husqvarna soll laut Hersteller eine „urbane Ikone“ sein.
Ein
junger französischer Designer hat aus dem österreichischen
Mittelklasse-Bike
KTM 690 Duke ein progressives Kunstwerk auf Rädern
geschaffen, das die Fahne
der schwedischen Traditionsmarke Husqvarna
hochhält.© Ralf Schütze / mid /TRDzweirad
Ein
LED-Kranz als Tagfahrlicht ziert den klassischen Rundscheinwerfer der
Vitpilen 701 – ein Design-Merkmal, das an Retro-Bikes von BMW, Triumph
oder Ducati erinnert.
© Ralf Schütze / mid/TRDzweirad
–
Alles, was man zum Motorradfahren so braucht, bietet das puristisch
gestaltete,
nicht ganz leicht ablesbare Cockpit. Gelbe Akzente zieren
die silbergraue Lackierung.
© Ralf Schütze / mid /TRDzweirad
Der
stärkste Serien-Einzylinder der Welt stammt aus der KTM 690 Duke, wurde
optisch etwas verändert und prügelt nun in der Husqvarna Vitpilen 701
seine Kraft auf die Kette.
© Ralf Schütze / mid /TRDzweirad
Details
wie der dekorative Tankdeckel sind handwerklich versiert und liebevoll
gefertigt.
Sie unterstreichen das progressive Design der Vitpilen. © Ralf Schütze / mid/TRDzweirad
Dennoch: Das Fahren mit dem nur 166 Kilo leichten, flinken und
wirklich heißen Eisen ist eine wahre Freude. Es macht unheimlich Spaß,
die schmale Maschine kinderleicht in Schräglage zu bringen. Und die wird
nicht von hörbar aufsetzenden Teilen begrenzt, sondern von den
atemberaubenden 60 Grad, die die Serienbereifung vom Typ Bridgestone BT
21 angeblich zulassen sollen – ein sehr theoretischer Wert, denn selbst
die tollkühnen Fahrer der Motorrad-Königsklasse „MotoGP“ lehnen ihre
Maschinen bis maximal 68 Grad in die Kurve. Aber auch bei weit
geringeren Schräglagen beweist die puristisch designte Husqvarna extreme
Agilität.
Dass die Vitpilen 701 nicht nur ungewöhnlich wendig, sondern auch
dementsprechend spritzig ist, dafür sorgt KTMs legendärer Einzylinder
aus der österreichischen Duke 690: 75 PS versprechen mächtig Druck, 72
Newtonmeter Drehmoment klingen nach impulsiver Schubkraft. Aber: Sie
liegen erste bei 6.750 U/min an. Der Wert lässt bereits erahnen, was
sich in der Fahrpraxis bestätigt: Der Einzylinder giert nicht nur, er
verlangt nach hoher Drehzahl. Unterhalb vom 3.000 Touren hackt er so
unrhythmisch vor sich hin wie ein übel gelaunter Holzfäller in der
dritten Überstunde. Aber wehe, wenn sich der mächtige
105-Millimeter-Kolben mit ausreichend Schwung auf den Weg macht, die 80
Millimeter Hub rauf- und runter zu eilen: Dann prescht das
austro-schwedische Gerät wie wild drauf los und versetzt seine Besatzung
in schiere Euphorie.
Neben dem klassischen Single-Betrieb ist die Vitpilen 701 auch für
einen Sozius geeignet, obwohl man dies der lifestylig geformten Sitzbank
zunächst nicht ansieht. Und für überschaubare Distanzen geht dies sogar
ausreichend komfortabel. Doch so richtig Fahrspaß bereitet die
Asphalt-Husqvarna eher, wenn der Pilot alleine draufsitzt. Dann spielt
der „weiße Pfeil“ so richtig seine Stärken aus und glänzt mit
hervorragendem Leistungsgewicht. Edle Komponenten ergänzen die
vielversprechenden physikalischen Voraussetzungen, da ließen sich die
Entwickler nicht lumpen. Das progressive Design, das den schwedischen
KTM-Ableger wie ein fahrbares iPhone erscheinen lässt, stammt von KTMs
Formenschmiede Kiska. Dort war kurioserweise der junge Franzose Maxime
Thourenin dafür zuständig, der österreichischen, technischen Basis ein
schwedisch anmutendes Aussehen zu verpassen. Aufgabe mit Bravour
erfüllt.
Ob die Vitpilen 701 erfolgreich sein wird, hängt auch von der
Strahlkraft der schwedischen Traditionsmarke ab: Husqvarna begann 1903
mit dem Bau von Motorrädern. Nach jahrzehntelangen Erfolgen vor allem
abseits asphaltierter Straßen ging die Marke 2007 bis 2013 an BMW,
danach an KTM. Nach gemeinsamen Offroad-Projekten soll der
Schotterspezialist Husqvarna jetzt auch befestigte Straßen erobern: Im
April 2018 gingen die Modelle Vitpilen und Svartpilen an den Start – der
urbane Roadster Vitpilen als 701 und 401 mit 690 oder 375 ccm Hubraum,
die mit grobstolligeren Reifen etwas robustere Svartpilen zunächst nur
als 401.
Wegen ihres hohen Preises (10.195 plus 360 Euro Nebenkosten) muss
sich die Husqvarna den Vergleich mit KTM gefallen lassen. Und zwar nicht
nur mit der gleich starken und dennoch 1.500 Euro günstigeren 690 Duke.
Sondern sogar mit der neuen Zweizylinder-Mittelklasse der Österreicher,
denn selbst die 105 PS starke 790 Duke ist schon für 9.790 zu haben.
Allerdings: Mit ihren hochwertigen Komponenten, dem progressiven Design
und vielen liebevoll sowie handwerklich gekonnt umgesetzten Details
stellt die Husqvarna Vitpilen 701 ein hochpreisiges, aber prägnantes
Statement dar – und so etwas funktioniert heutzutage in vielen Branchen.
Warum also nicht für den luxus- und freizeitorientierten Biker?
Technische Daten
Husqvarna Vitpilen 701, Mittelklasse-Naked-Bike mit
flüssigkeitsgekühltem Viertakt-Einzylinder-Motor, vier Ventile, zwei
Ausgleichswellen, Hubraum: 693 ccm, max. Leistung: 55 kW/75 PS bei 8.500
U/min, max. Drehmoment: 72 Nm bei 6.750 U/min, Sechsganggetriebe,
Kette.
Stahl-Gitterohrrahmen, vorn Upside-Down-Gabel mit 43 mm
Tauchrohrdurchmesser, Zug- und Druckstufendämpfung verstellbar, hinten
Aluminium-Zweiarmschwinge, Zentralfederbein mit Hebelsystem, Federbasis
und Zugstufendämpfung verstellbar, vorn Doppelscheibenbremse,
Durchmesser 320 mm, Vier-Kolben-Festsattel, hinten Einscheibenbremse,
Durchmesser 240 mm, Ein-Kolben Schwimmsattel, Traktionskontrolle,
Bosch-ABS.
Reifen vorn 120/70 ZR17, hinten 160/60 ZR17,
Sitzhöhe: 830 mm, Tankvolumen 12 l, Radstand 1.434 mm, Leergewicht 166
kg, zul. Gesamtgewicht 350 kg, Höchstgeschwindigkeit: ca. 200 km/h,
WMTC-Normverbrauch kombiniert 4,0 l/100 km, Preis: 9.790 Euro.
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